Das neue Jahr 2010 beginnt und ich bin am Ende meiner Kräfte mit unserem fünfmonatigen alten Baby. Es weint sehr viel, kann nicht schlafen oder wenn es schläft, schreckt es mit plötzlichem Geschrei auf. Es ist unser erstes Kind und ich nehme an, das gibt es einfach. Die Zeiten mit Babies sind einfach streng. Mitte Januar realisieren wir jedoch, dass er immer wieder Gewicht verliert anstatt zunimmt. Ganz deutlich wird es während dem Besuch bei der Mütterberatung. Wir werden zum Kinderarzt überwiesen und nach einer Woche schickt er uns direkt ins Spital auf den Notfall. Unser kleiner Junge nimmt trotz trinken nicht zu. Egal ob ich ihn stille oder er aus dem Schoppen oder der Tasse trinkt, er verliert an Gewicht. Was ist los? Was geschieht gerade? Aus einem Notfallbesuch im Spital werden mehrere Tage. Ich habe Angst. Ich möchte meinen Jungen nicht loslassen und in fremde Hände geben. Ich darf die Nacht über nicht bei ihm sein und er ist einfach an einem fremden Ort mit fremden Menschen, hat Schmerzen und ich kann ihn nicht beschützen. Das bricht mir das Herz und ich muss weinen. Auch bin ich erschöpft von den vielen schlaflosen Nächte und strengen vergangenen Wochen. Ich esse, aber mein Körper kann die Nahrung vor lauter Stress nicht behalten. Mir wird übel und ich muss erbrechen. Es ist alles so viel. Auf einmal sind wir in einem Strudel von Untersuchungen drin. Immer wieder muss dies und jenes getestet werden. Wenn ich froh bin, dass unser Kind endlich den Schlaf gefunden hat, muss ich es für einen nächsten Untersuch wieder wecken. Bald dürfen wir auch nicht mehr spazieren gehen, sondern nur noch im Spital bleiben, dass es vollständig überwacht werden kann. Die Sonde stört unseren Kleinen und er möchte sie wegreissen. Es ist eine Zeit von Hoffen, Bangen, Nichtwissen, Angst und Sorgen. Noch vor ein paar Tagen anfangs Jahr las ich die Jahreslosung fürs 2010. Daran hielt ich mich immer wieder fest. «Seid nicht bestürzt und habt keine Angst!» ermutigte Jesus seine Jünger. «Vertraut Gott und vertraut mir!» Ja, was blieb mir anderes übrig, als Gott zu vertrauen? Und ich war froh um meinen Mann und nahe Freunde und Verwandte, die gerade in dieser schwierigen Zeit mit mir gebetet haben oder mir Trost zusprachen und auch praktisch Unterstützung boten. In all diesen Herausforderungen durfte ich doch auch Gottes Herrlichkeit in dieser Spitalzeit erleben. Als ich zum Beispiel unseren Kleinen alleine zurücklassen musste, bekam ich von einer Frau ein Bild, das sie im Gebet vor ihren Augen gesehen hat. Es hat mich sehr getröstet. Sie sah in diesem Bild die vielen Spitalbettchen im Zimmer und Engel, die umherliefen. Und Jesus beugte sich über das Bettchen von unserem Sohn. Eine dunkle Wolke darüber verschwand und eine rosarote Wolke erschien. Sie deutete es so, dass der Tod wich und Gottes Gnade hineinkam. Obwohl ich zu dieser Zeit nicht wusste, was unseren Sohn bedrückt, wusste ich doch, dass Jesus für ihn schaut und er nicht alleine ist, wenn ich im oberen Stock sein muss. Das ermutigte mich sehr und ich konnte gut schlafen. Kurz vor der Diagnose hatte mein Mann die Idee, dass wir in den Raum der Stille gehen könnten, den es im Kinderspital gibt. Gerade zu dieser Zeit, als wir dort waren, gab es eine Andacht. Ich hörte zu und spürte, wie Gott zu mir sprach. Wenn wir als Eltern so fest für unser Kind sorgen, wieviel mehr sorgt Gott für uns als seine Kinder. Auch spürte ich, wie Gott mir sagte, dass er unseren Sohn noch mehr liebt, als wir es können. Ich spürte eine unendliche Entlastung. Alle Sorgen und Ängste und die ganze Last auf meinen Schultern, die sich mir aufgebürdet haben, wurde mir abgenommen. Ich ging so befreit aus diesem Raum hinaus. Es war ein Wunder und ein tiefes prägendes Erlebnis. Ich wusste mich getragen und unseren Sohn in Gottes Hand. Als wir danach die Diagnose bekommen haben, dass er an einer genetischen Stoffwechselerkrankung leidet namens cystischer Fibrose, war ich sehr gefasst. Der Boden des Vertrauens, den Gott in mich hineingelegt hatte, hielt und war fest. Ich konnte mich mit den Fakten der Diagnose auseinandersetzen und der Ärztin viele Fragen stellen. Ich fühlte, dass Gott über dieser Krankheit stand und alles im Griff hat. Ich war dem Ganzen nicht ausgeliefert. Natürlich war es eine traumatische Erfahrung und ein harter Schlag, dies zu hören inklusive Zukunftsperspektiven und möglichen Prognosen etc. Ich entschied mich aber bewusst an der Aussage der Jahreslosung 2010 festzuhalten. Nicht bestürzt zu sein, keine Angst zu haben, sondern Gott zu vertrauen. Kognitiv wusste ich ja, dass Angst lähmt, aber emotional konnte ich sie nicht selber abwerfen. Im Raum der Stille hat Gott sie mir abgenommen. Von meiner Mutter bekam ich zudem eine Herzbox mit verschiedenen Bibelversen drin. Nach der Diagnose zog ich daraus einen und war tief berührt von dem, was Gott mir dadurch zusagte. Dort stand nämlich folgendes, das ich auf unseren Sohn bezogen habe: «Sein Leben ist ein Beweis dafür, dass Gott seine Versprechen hält. Bei Gott bin ich sicher und geborgen; was er tut, ist nie verkehrt!» Ja, das möchte ich sehen: Gottes Versprechen von Heilung, Liebe, Treue, Erlösung in allem Schweren und seine Freiheit trotz allem. Ich wusste, dass Gott uns dies zutraut aber auch über dem Ganzen steht. Es kamen noch manche schwierige Zeiten und ich musste mich immer wieder bewusst auf diese Versprechen und Gottes Sicht ausrichten, um ihn über allem zu sehen und nicht die Krankheit. Seit 2 Jahren kam ein neues Medikament auf den Markt. Unser Sohn darf es täglich einnehmen und viele positive Veränderungen erleben. Es kommt einer Heilung nahe und wir sind unendlich dankbar dafür! Ein weiteres Wunder, das ich erst im Nachhinein erkannte, war, dass wir seit der Diagnose bis zur Einführung dieses neuen Medikamentes immer dieselbe Ärztin im Kinderspital hatten, die uns durch alle Hochs und Tiefs begleitet hat. Das war zwölf Jahre. Das sei nicht üblich, wie ich gemerkt habe. Denn nach ihr hatten wir in den letzten zwei Jahre, schon drei verschiedene Ärzte/Ärztinnen. Zudem hat es sich so ergeben, dass der Arzt, der uns im Kinderspital die Diagnose erteilt hat, ein halbes Jahr später in unserem Ort als Kinderarzt zu arbeiten begann und wir ihn somit schon kannten und auch er unsere ganze Geschichte. In allem Leid durften wir immer wieder Gottes Liebe und Führung erfahren und auch viele kleine und grössere Wunder. Ich habe gelernt, dass Gottes Liebe und erlösende Kraft keine Grenzen kennt. Auch das Leid und der Tod können sie nicht stoppen.
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